Vorwort
Keine Festlichkeit im Jahr ist so widersprüchlich wie das Weihnachtsfest. Und dieses Jahr ist es umso „mürrischer“ bestellt. Gut, wenn die Familie nicht gemocht wird und dadurch der seelische Stress wegfällt, dann kann die „Sache“ recht erholsam werden.
Auch die kalte Jahreszeit namens Winter ist nicht jedermanns Sache. Schon gar nicht dieses kleine, zarte und doch so unbefleckte Schneeflöckchen im weißen Röckchen, das innerhalb von Sekunden Chaos auf den Straßen bewirkt. Dennoch ist es schön, wenn die Landschaft in glitzernde, weiße Watte gebettet wird, die dadurch noch schöner wird. In diesem Jahr wird es keine weiße Weihnacht geben (zumindest nicht in meiner Region) und der Weihnachtsmann sitzt sowieso in Quarantäne oder darf gar nicht erst einreisen; was ich nicht verstehen kann, denn er beschenkt kontaktlos und plumpst durch den Schornstein. Darum verschickte der bärtige, dicke Mann vom Nordpol aus die Geschenke per Post, die Rudolph, the Red-Nosed Reindeer*sing*, Mithilfe der fleißigen Mitarbeiter und deren Wichtel in neonfarbenen Westen mit austrägt.
Ich gebe zu, dass mich der Dezember irritiert und auch erschreckt. Dezember ist der Monat, indem die „December Sadness“ mich vollständig beherrscht und ich zu kämpfen habe, um aus dem seelischen Tief herauszukommen. Ja, auch das bloggen fällt mir schwer. Die Zeit mag (m)ich überhaupt nicht leiden. Mir ist dann eher nach Bett zumute mit der Bettdecke über den Kopf. Jedoch hülle ich mich lieber in das geschriebene sowie das gesungenen Wort ein, und es ist um einiges produktiver dagegen zu arbeiten und zu schreiben, als im Bett, nichts dagegen tuend, herumzuliegen.
Somit ist es wohltuend, wenn gute Musik oder ein gutes Buch einen aufheitert und den Kummer lindert. Stimmt’s? Ihr kennt das! Nun ja, alles hat zwei Seiten! Die einen lieben diese Zeit, feiern ausgelassen, andere nicht. Genau diese Divergenz besingt Tarja in ihrem Themenalbum. Es ist eine Partitur, die für ein düsteres Weihnachtsfest gedacht und definitiv keine Tortur ist. Und somit genau das Richtige für mich!
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Tarja nimmt mich an die Hand und führt mich in ein anderes Weihnachtsland.
Ihre Haut ist so weiß wie Schnee, ihr Mund so rot wie Blut, das Haar ist schwarz wie Ebenholz. In ihrem Anblick wirkt Tarja wie eine schwarze Schneekönigin, oder wie eine unnahbare dunkle Fee, inmitten der weißen Einfärbung von Feld und Wald. Damit stellt sie die den Kontrast aus hell und düster bildlich dar.
Seit 2017 ist „From Spirits and Ghosts (Score For A Dark Christmas)“ veröffentlicht worden und es ist nach wie vor zeitlos. Dazu gestaltet das Album die ambivalente Zeit klanglich sympathischer. Tarjas Weihnachtsalbum ist überzeugend, düster und wunderschön, dazu ist es ein erstaunlich beruhigendes Album.
Witzig ist, dass das düstere Weihnachtsalbum im Hochsommer der Karibik aufgenommen wurde. Das unterscheidet sich immens vom verschneiten Weihnachten, was sie aus ihrer finnischen Heimat kennt. Es grenzt fast schon am schwarzen Humor. Doch das ist nur eine kleine Begründung, dass ihre Liebe zur Finsternis von innen kommt.
Auf diesem Album hat sie sich mit der Kehrseite von Weihnachten beschäftigt. Das Weihnachten der Einsamen und der Verlorenen. Ein Weihnachten für die Menschen, die unter den blinkenden Lichtern, fast überall ertönenden Weihnachtsliedern und bei bimmelnden Glöckchen keine Freude finden.
Doch schaffte es Tarja, mit einem musikalisch, anmutigen Arrangement ein Album zu kreieren, welches angenehm auf den Winterblues wirkt. Sie findet immer wieder instrumentale Motive, die dem schweren Gemüt ein Lächeln schenken. Episch, lieblich mit düsteren Glockenspiel.
Das Album enthält elf traditionelle Weihnachtslieder, die durch Tarjas klassischen Gesang, zusammen mit Gothic-Einflüssen, auf eine völlig neue Ebene gebracht werden. „O Come, O Come, Emmanuel“ ist ein wunderschönes Eröffnungslied zu einem beeindruckenden Weihnachtsalbum, welches als weihnachtliches Märchenalbum durchgehen könnte.
Tarja hat in jede Strophe, in jedes einzelne Lied sehr viel Liebe gelegt. Mithilfe eines Symphonieorchesters schafft es die erfolgreiche finnische Solokünstlerin, traditionellen Liedern wie „O Tannenbaum“, „We Wish You A Merry Christmas“ oder „Feliz Navidad“ eine mystische Besonderheit zu verleihen. Zum Beispiel ist das fröhliche „Feliz Navidad“ ein eindringlicher und sphärischer Song geworden, der mit seiner eigenen Mentalität besticht. „Amazing Grace“ ist ein Meisterwerk in der Neuinterpretation eines weihnachtlichen Liedes.
Neben klassischen Weihnachtsliedern hebt „From Spirits and Ghosts“ die Themenwelt der Geister und Mystik hervor, wie es in „Together“ zu hören ist. Dieses traurige Lied bittet ergreifend darum, unter weißer Asche bedeckt zu sein, um wieder vereint in den Himmel zu fliegen. Der dunkle, epische Stil wird durch „Deck The Halls“ erneut zur Geltung gebracht. Dabei erinnert das prächtige Stück wahrlich an einen düsteren Winter-Weihnachtsfilm.
Das Album wurde von Tarja, dem amerikanischen Emmy preisgekrönten Filmmusikkomponisten Jim Dooley und dem britischen Produzenten Tim Palmer, der unter anderem für seine Arbeit mit Pearl Jam, U2, David Bowie, Lang Lang und The Cure bekannt ist, produziert.
*** Es ist wie es ist, es gibt kein angenehmeres „Weihnachtsalbum“ als dieses. Tarja hat sich mal wieder selbst übertroffen. Kaum eine Sängerin könnte je solch ein Konzeptalbum so exzellent umsetzen wie sie! Ich liebe den Winter und verabscheue Dezember wie auch Weihnachten. Also, hell und düster zugleich. Aber dieses Album gibt all dem einen glanzvollen Anmut sowie die Besinnlichkeit.