Für ZUSTRA ist das Schmieden von Musik wie ein aufspürender Spiralnebel im Weltall. Mit ihrem Debüt „The Dream Of Reason“ erschuf sie einen besonderen Kosmos, der fulminant ist und hinter dem geistigen Auge ein inneres Abschweifen ermöglicht. Gleichzeitig loslöst ihr klüglich bedachter und cineastischer Art Pop das Dasein in kosmische Sphären. Während sie mit ihrem feinen Gespür für Materie sowie deren scharfsinnige Songstrukturen das Seiende erdet.
Ferner ist ZUSTRA ein musisches Tentakel, die in Eigenregie ihre Musik sowie die dazugehörigen Videos produziert. Dabei weist sie einen besonderen Sinn für Kompositionen auf. Zudem bewegt sie sich wie ein ruhender Blick auf funkelnde Mineralien. „Wenn ich einen Song produziere, eröffnet sich mir immer eine eigene Welt vor Augen, in der er sich abspielt, also Bilder, Farben, Formen, Material, Gerüche.“, erzählt sie.
Das universelle Wesen aus Berlin telefoniert wie E.T. Millionen Lichtjahre nachhause. Einem Ausflug zum Mond wird entgegen gesehnt. Zur Begrüßung wird sie vom Firmament umarmt und mit gepackten Koffern hinauf geflogen. Dort darf sie wandeln, sinnieren, sie selbst sein und für ihr Schaffen Inspiration holen, während sie die Welt von oben betrachtet.
Auch greift das Album auf ihre Gefühlswelt zurück. Brüche sind ein Grundmotiv von ZUSTRA, genauer gesagt: deren Überwindung. Denn als Kind floh sie vor dem Krieg in ihrer Heimatstadt Dubrovnik. „Mich hat die Vanitas immer sehr getröstet, die barocke Symbolik unserer Vergänglichkeit. Aller Schmerz und alle Schönheit vergehen, und ich finde das nicht deprimierend, sondern heilsam. Den Farn etwa, meine Lieblingspflanze, gibt es schon seit 360 Millionen Jahren – wer wäre ich denn, meine Zeit hier überzubewerten? Irgendwann bin ich Erde, und es werden Sachen aus mir wachsen, zum Beispiel Kartoffeln, hoffentlich – wie super ist das denn?!“, sagt sie und lacht. Das Erleben bestärkt ihre positive Substanz des sonnigen Gemüts ihres intellektuellen Esprit. Es ist eine wahre Pracht, wie die kroatisch-deutsche Künstlerin ihre Musik präsentiert, die irgendwo zwischen Abgrund und zarter Hoffnung ankert.
Ebenso erlaubt sie sich, von der Literatur füttern zu lassen. Auch ist es ihr wichtig, Worte stets mit Bedacht zu wählen. Lyrisch verknüpft ZUSTRA vollkommen organisch Shakespeare’s Macbeth mit Star Wars, bekommt mühelos den Psychoanalytiker Jacques Lacan und den Außerirdischen E.T. in einem Satz unter. Sie zitiert die polnische Literaturnobelpreisträgerin Wisława Szymborska, ebenso wie Joachim Ringelnatz, und flechtet mit einer Leichtigkeit Zeilen auf Französisch und Kroatisch ein.
Der Opener „Back to Dark“ erzählt aus dem Wahnsinn zum Irrsinn kommenden, unbegreiflichen Geräuschen von düsteren Zeiten, gefährlichen Träumen und der Faszination für einen Fremden. Mit einem drei-sekündigen Dröhnen erhebt sich der bebende Bass mit so viel Power, dass die Synth-Sirenen wackeln. Obendrein geben ihre betörende Stimme sowie die zertrümmernden Drums diesem explosiv perfekten Manifest den verkapselnden Scharfsinn. „Im Song „Back to Dark“ geht es um eine Abwägung zwischen Realität und Traum und die Frage, was eigentlich die verhängnisvollere Illusion ist: Das Folgen einer Fantasie oder der Glaube an die eigene Vernunft.”, so ZUSTRA.
In „Walking On The Moon“ beschäftigt sie sich mit einer anderen Art der Kontrolle. ZUSTRA musste sich quasi „selbstbeherrschen“. Mit dieser interstellaren schönen Single reist sie zum Mond – und schaut sich von dort all die Absurditäten und Sinnlichkeiten an, die uns als Menschen ausmachen. Im Song zitiert sie eines ihrer Lieblingsbilder: „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer” von Franciso de Goya, dem nichts fremd und zu düster war.
Das wuchtige „Drowned Body“ legt mit einem satten ver-bass-ten Gitarren-Riff vor. Die Drums scheinen zu einem Zirkel einzuladen, während ZUSTRA unheilvoll flüstert und ihr die Zeile „The empire strikes back and it will fuck you into pieces“ derart von der Zunge perlt, als würde es sich um eine Versuchung handeln. Für sie ist es offenbar ein Leichtes, im selben Song Referenzen zu Star Wars und Shakespeare’s Macbeth zu vereinen. In der Ferne klappert eine Wüstenschlange und hallt eine Mundharmonika wie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ und man weiß gar nicht: Ist das der Song zu einer mythischen Sci-Fi-Indie Phantastik, den ein erstklassiger Filmregisseur erst noch drehen müsste? Oder ist man in einer Folge einer legendären Mystery-Kult-Serie gelandet? Ganz gleich, es ist immer wieder ein Fest in Repeat!
ZUSTRA erzählt über den Song: „Als ich „Drowned Body“ geschrieben habe, war ich wütend, aber halt auf meine Art: Eine ruhige Wut, bei der ich denke, ach, komm, tausend Mal schon gelitten, es liegt ja doch recht wenig in meiner Macht, und mit welchem Recht sollen die Dinge so laufen, wie ich sie gernhätte? Mach halt, Universum. Und alles Unrecht wird irgendwann offenbart, weil es ja schon in der Welt ist.“
Ein sinnlich verschwärmtes, der Wörter begehrendes „The Twinkling Of An Eye“ erobert Zeilen aus dem Gedicht „The Joy of Writing“ von der polnischen Lyrikerin und Literaturnobelpreisträgerin Wisława Szymborska, welches ZUSTRA mit ihren musischen Sternenstaub küsst.
Und Songs wie „Oh No“ und „The Words“ verleihen den Körper ein schwebendes wie auch tanzendes Wohlgefühl, indem sich das Bewusstsein in einen transzendierenden Zustand versetzt. In „The Words“ erzählt sie das Wörter der Schlüssel sind, die genauso verletzen wie auch schmeicheln können. Selbst sind Wörter voller Glückseligkeit. Und ZUSTRA liebt es mit Buchstaben zu tanzen, genauso bewegt sie sich zwischen den Zeilen; mal lasziv, mal sinnlich, stets vortrefflich, immer packend und modern.
All ihre zwölf geschicklichen Songs sind ein Genuss. „The Dream Of Reason” ist ein sphärisches Wunderwerk, bei dessen Sound der Mund im Raum offenstehen bleibt. Wer ZUSTRA noch nicht kennt, in der Science-Fiction rankt, bedenkenlos in Anderswelten schwimmt, wird dieses erlesene Debüt anhimmeln.
*** Ich bin schwer verliebt – in das Debüt sowie in das Artwork. Darum bestellte ich mir die limitierte LP via Bandcamp. Ich freu mich auf einen neuen Diamanten für meine Sammlung.
Wissenswertes:
- Live: 31.03. 2022 – Berlin, Schokoladen
Wertvolle Links:
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