Die pudrig-blaue Farbe und die rankende Aufmachung des „Powder Blue“-Werkes haben etwas stilvolles, liebenswürdiges und doch melancholisches an sich. Begonia selbst schmiegt sich in blauen Organza ein, als wenn sie sich in eine Kuscheldecke einhüllt. „’Powder Blue’ ist eher ein Gefühl. Der Name dieses Albums musste etwas sein, das all die Gefühle umfasst, die die Songs bei mir auslösen, wenn sie zusammengefügt werden. Wenn ich sie als Einheit höre, schicken sie mich zurück zu diesen Worten, zu dieser Farbe.“, erklärt die Alt-Pop Sängerin über die Herkunft des Titels ihres jüngsten Albums.
Die Songs der kanadische Alt-Pop-Künstlerin wirken in keiner Weise schwermütig, sondern im Gegenteil, sie fühlen sich leicht an. Jedes einzelne Stück besitzt eine besondere Zierde, eine eigene Geschichte und lockende Kraft. Das Album „Powder Blue“ gleicht einem Loslassen. Ferner einer Erkenntnis, nicht nur an der Oberfläche des eigenen Wesens zu kratzen, sondern sich freizulassen, die Seele zu entblößen, ohne nackt zu sein. Auf dem Album lässt Begonia einen Teil ihrer Selbst durchblicken.
Der Opener „Chasing Every Sunrise“ verschmilzt im Sinnieren mit der Erinnerung an eine zarte und verletzliche (wenn auch unvollkommene) Beziehung. In „Heaven“ spielt sie auf ihre widersprüchlichen Gefühle in Bezug auf ihre Kirchenzugehörigkeit an. Mit „Right Here“, „Bleeding Heart“ und „The Only One“ hat sie scharfe Nummern veröffentlicht, die zum Mitsingen verführen und dazu noch tanzbar sind. In den jeweiligen Aufnahmen erzählt sie, dass sie den Menschen an ihrer Seite weiterhin an ihrer Seite wissen möchte. Doch „I’m Not Dying“ realisiert sie, dass es ihr nach einer Trennung gut gehen wird.
In dem hitverdächtigen Song „Marigold“ spricht sie offen über ihre Sexualität und antwortet sie auf eine direkte Frage. Über den Song erzählt sie: „Wenn die Leute fragen: ‚Bist du dies oder das?‘, dann sage ich: ‚Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Es klingt so klischeehaft, aber ich entwickle mich einfach ständig weiter. Sowohl ‚Marigold‘ als auch ‚Butterfly‘ beinhalten Aussagen für mich, aber es fühlt sich immer noch so an, als befinde ich mich in diesen Momenten der konstanten Selbstentdeckung.“
In der Klavier-Ballade „Butterfly“ geht es um die Erkenntnis, dass sich ihr Weltbild in Bezug ihrer religiösen Erziehung verändert hat. Mit einem schummrigen „Cold Night“ zeigt sich Begonia erneut von ihrem verletzlichen, balladenhaften Wesen, das um Zweisamkeit fleht, während die Kälte sie erzittern lässt.
Doch steht der weiche Eröffnungssong „Chasing Every Sunrise“ im Gegensatz zu einem Stück, der das Album beendet. Denn der Abschlusssong „NYE 2013“, des bis dahin sehr gelungenen Werkes, scheitert durch die Stimmverzerrung und der Wahl des orientalisches Klangkleides, welches den Inhalt des Songs sowie das Album mit Desorientierung diffamiert. Der Inhalt des Songs könnte wortwörtlich übernommen werden, „sie wirft ihre Schuhe über den Balkon in den Schnee“. Dementsprechend schmeißt sie in Bezug auf das Album lieblosen, durchaus desorientierten Trash aus dem Fenster, was sehr schade ist. Vielleicht ist es auch ihr Unbehagen, welches sie auf dieser Weise preisgibt. Oder sie war – wohlmöglich – bei der Auswahl des Klangkleides ebenfalls zwei Wochen betrunken. – Wir werden es nie erfahren.
Dennoch sind elf Songs in einem ausgezeichneten Gewand aufgenommen worden, die zeitlos sind, sodass über den einen und letzten Song hinweggehört werden kann. Begonia hat ihr wesentliches Selbst gekonnt eingefangen. Dazu einiges aus dem Fenster gehauen, sich in Verzweiflung gebalgt, jedoch mit Hingabe geliebt. – Und das so wunderbar!
Wertvolle Links:
- Homepage: http://www.hellobegonia.com/