Elen ist eine sehr interessante Persönlichkeit mit einer unverkennbaren Stimme. Sie ist eine Ausnahme. Eine Ausnahme in den schöngefärbten Mustern aktueller Karrieren im deutschen Popbusiness. Noch dazu, wenn es sich um Karrieren von Frauen handelt. Weil sie eine wichtige Eigenschaft verkörpert, die hinlänglich so oft fehlt: Wahrhaftigkeit! Zu finden in jedem ihrer Songs, in jeder Zeile ihrer Texte, in ihrer Persönlichkeit und Biografie. Sie kommt von der Straße und weiß wovon sie redet, spricht und singt. Ihre Texte sind genial, ihre Musik dazu erst recht.
Ihr deutschsprachiges Debüt „Blind über Rot“ erscheint am 19. Juni 2020
Als ich sie traf war ich nervös. Meine Nervosität legte sich mitten im Interview, für das sie sich viel Zeit nahm.
FV: „Blind über Rot“ erscheint im Juni. Das Cover ist sehr gelungen. Doch irgendwie versteckst du dich, wo doch andere Künstlerinnen ihr Gesicht präsentieren. Wenn ich „Blind über Rot“ höre, dann heißt es auch für mich, dass das Album sehr persönlich wird.
Elen: Ich habe nicht gesagt, dass ich mein Gesicht nicht auf dem Cover haben möchte. Es war keine bewusste Entscheidung, sondern eine Gemeinschaftliche. Ich habe ein paar Bildvorschläge an den Grafiker geschickt und ihm einiges an Material zur Verfügung gestellt. Mit der Frage, mit welchen Bildern er etwas anfangen kann und was er sieht. Er brachte drei Vorschläge und das „Blind über Rot“ Gefühl beschrieb das jetzige Coverbild am besten.
Der Ausspruch „Blind über Rot“ ist schon gewaltig. Es hat mit Schmerz zu tun, die Grenzen werden überschritten, nicht nur die eigenen, sondern auch die vom gegenüber – ohne darüber nachzudenken, welche Konsequenzen bestehen werden. Durchzug und ich mach das, was ich will und es ist mir egal, wie du dich dabei fühlst. Das Coverbild ist auch fröhlich. Gut, ich weiß wie es entstanden ist und ich finde, es passt perfekt.
FV: Ja, es passt perfekt, war auch mein erster Gedanke als ich das Cover sah. Dein erstes Album „Elen“ ist englischsprachig und es wurde via Crowdfundig finanziert. „Blind über Rot“ ist wiederum deutschsprachig, unter Eigenregie, finanzierst es auch selbst. Warum hast du dich nun für deutschsprachige Poesie entschieden?
Elen: Ich finanziere das nicht selbst, denn ich bin nun bei einem Label. [Herzlichen Glückwunsch]
Für die Sprache habe ich mich nicht „entschieden“. Bei mir war es so, dass ich immer gerne schreiben wollte. Mein Englisch ist einfach nicht so gut, darum ließ ich das Texten dazu sein. Ich merkte auch, dass mir im Schreiben etwas fehlte. In meiner Muttersprache zu schreiben, ist auch ein anderes Gefühl. Denn hinter Fremdsprachen kann man sich gut verstecken.
Aber seitdem ich meine Themen und das, was mich bewegt, in deutscher Sprache verfasse, ist es nun eine Ecke persönlicher. In einer Fremdsprache konnte ich mich nicht so ausdrücken wie in meiner Muttersprache.
FV: Die deutschsprachige Poesie bist mehr du. Deine Stimme kommt auch besser zur Geltung.
Bis jetzt durfte ich acht Songs deines Debüts hören. Ich mag „Fünf Meter Mauern“ sehr, denn es projiziert im Inneren Mauern, die Musik dazu gibt dem noch den virtuellen krachenden Aufbau. Was bedeutet dieses Stück genau.
Elen: Es ist einfach dieses Bild sich eine Mauer zu bauen, sich selber unverletzbar zu machen. Es ist in Prinzip so wie „sich eine Maske aufsetzen“. Das die Umwelt nur bestimmtes zu sehen bekommt, anderes wird zurückgehalten. Es gibt Bereiche eines Menschen, um die er eine Mauer Drumherum zieht. Er spricht nicht darüber, lässt keinen an sich heran und zeigt diese auch nicht. Das sind die „Fünf Meter Mauern“, unüberwindbare Mauern.
FV: „Egal“ ist ein aneckendes Lied, Zwiegespalten und antreibend und tanzbar. Bin durch meine Wohnung gesprungen … Doch, was bedeutet das Lied für dich. Weil, egal ist es dir ja nicht, zum Bsp., dass Pelze getragen werden.
Elen: Es ist schwer zu erklären … Es sind zwei Welten. Zum einen das Ego. Die Sachen, die für mich wichtig sind, um die ich mich kümmern und für mich möchte. Doch es steht dann zum anderen im Widerspruch zudem, welche gesellschaftliche Verantwortung ich habe. Dann ist die Situation, die in Spannung zu „möchte“ und „sollte“ gerät. Der Song verarbeitet den Schritt zu machen, von Verantwortung und Ego. Es ist wie „Ping-Pong“ – hin und her. An manchen Tagen ist man sich selbst der Nächste. Aber ich möchte so nicht sein!
FV: Was ist dein liebstes Stück vom neuen Album?
Elen: Was ich jetzt am liebsten singe? Es ist so schwer zu sagen. Gerade jetzt ist es „Luftschlösser“. Das wechselt auch je nach Gefühl. Es sind auch verschiedene Themen auf dem Album. Und man hat jeden Tag unterschiedliche Momente, wie Beziehungsprobleme, verzwickte Darstellung der Zukunftsperspektive, je nach dem wo ich gerade bin gibt es einen Song, der das gut ausdrückt.
FV: Du hast als Straßenmusikerin deinen Lebensunterhalt verdient. Kostete es dir viel Mut? Ich habe einmal eine Straßenmusikerin beobachtet, die entmutigt war. Ich dachte nur noch, nun sing…sing endlich. Sie tat es nicht. Hattest du auch derartige Momente gehabt?
Elen: Klar, gibt es bei der Straßenmusik entmutigende Tage. Es ist einfach so. Denn es gibt Tage, die nicht funktionieren oder keine Lust da ist Musik zu machen. Wenn es aber ein Job ist und von der Straßenmusik gelebt wird, dann ist es ein Muss rauszugehen, denn sonst wird es schwierig etwas zu essen zu bekommen. Es gibt Tage, da hat man keinen Bock, doch das merken die Menschen, die vorbei gehen. Und das hört man auch, ob es aus dem Herzen kommt oder es einfach nur macht, weil man muss. Es hat sich bei mir auch wiedergespiegelt, indem was ich verdient habe. Es ist wirklich so. Es gibt Tage, da hatte ich viel Lust, doch da war das Wetter schlecht, so dass ich nicht rausgehen konnte. Oder ich fuhr früher wieder nach Hause, weil ich merkte, dass es keinen Sinn mehr machte an dem Tag weiterzuspielen.
FV: Du hast wert draufgelegt, dass du Straßenmusikerin bist. Bist du aktuell noch eine Straßenmusikerin?
Elen: Aktuell nicht mehr. Die Situation in Berlin ist auch ziemlich schwierig. Denn es gibt viele Probleme und Hürden für Straßenmusiker sich vernünftig darzubieten. Das geht vom Ordnungsamt aus. Und nach meinem Kenntnisstand ist es noch nicht ganz klar geregelt. Für mich war es nie wichtig Straßenmusiker zu sein, aber die Option zu haben immer Straßenmusik machen zu können und immer „dahin zurück gehen zu können“ find ich gut, dass es so ist. Aber für mich war es nie irgendwas „romantisches“. Es ist ein Gefühl von Freiheit. Dennoch bin ich kein Reise Typ, der mit dem Geld, was er verdient dafür verwendet, um neue Orte oder Länder wie quer durch Europa oder Südamerika zu entdecken. Das habe ich alles nicht. Ein klassischer Straßenmusiker war ich wahrscheinlich nie.
FV: Kann ich auch sagen, dass du durch Westernhagen entdeckt worden bist?
Elen: Klar. Es war 2015. In dem Jahr habe ich im Februar mein Englisch-Album veröffentlicht, habe dennoch weiterhin Straßenmusik gemacht. Gut, ich habe nicht aufgehört Straßenmusik zu machen. Eines Tages spielte ich am Alexanderplatz und da kam Marius vorbei. Er hörte die Musik und fand sie wahrscheinlich schön, sodass er sich ein Album mitgenommen hatte. Es war sehr ermutigend für mich. Und als er mich anrief den Support zu machen oder bei MTV Unplugged dabei zu sein, war es ein Antrieb, der dazu beigetragen hat, weiter dran zu bleiben. Gerade zu der Zeit fragte ich mich, was ich machen werde, wenn ich 50/60 Jahre alt wäre. Straßenmusik wäre es definitiv nicht gewesen, weil ich zu viele Winter auf der Straße gestanden hatte und mir die Finger abfror.
FV: Du möchtest also mit Musik deinen Lebensunterhalt verdienen.
Elen: Ja, aber mit Musik machen, das nicht auf der Straße stattfindet.
FV: Half dir „Voice of Germany“ dabei bekannter zu werden?
Elen: Ob es geholfen hat? Nein! Bei „Inas Nacht“ schon eher. Viele erinnern sich daran, dass ich bei Voice mitgemacht habe. Voice ist so eine Sache, denn wie viele „Voices“ und „Superstar“ Gewinner kennt man tatsächlich noch mit Namen? Ich war nicht einmal ein Gewinner, sondern bin schon in der zweiten Runde rausgeflogen. Was meine Person betrifft, war es nicht hilfreich. Es war eine Erfahrung und ich muss mich nicht dafür schämen. Aber einen Schritt weiter brachte es mich nicht.
FV: Es muss doch geil gewesen sein, als Ina bei „Liegen ist Frieden“ mitgesungen hatte?! Ich meine, die Frau hat es echt drauf.
Elen: Ja, das stimmt und es war ein großer Spaß.
FV: Viele Künstlerinnen zieht es nach Berlin. Das Mekka der Musik. Du bist von Berlin nach Brandenburg aufs Land gezogen.
Elen: Bestimmt hatte es damit was zu tun, dass man etwas will, was man nicht hat. Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen. Und Berlin hatte für mich nie den faszinierenden Reiz wie für andere. Ich komm von dort und für mich ist es normal. Berlin ist als Stadt für eine Stadt eine schöne und interessante Stadt und es ist eine Stadt, in der man viel erreichen kann. Berlin ist gebündelt, man trifft viele kreative Leute, mit denen man arbeiten und Projekte aufziehen kann. Aber ich war nie ein Nutzer der typisch-städtischen Angebote gewesen. Ich war nie ein Kino- oder Kneipengänger. Mein Mann und ich hatten mehrere Jahre einen Kleingarten gehabt. Und das war meine Ersatzlösung aufs Land zu ziehen. Ein bezahlbares Haus zu finden ist schwer. Wir sind beide eher die Naturtypen, ob Angeln in der Pampa oder in der Natur schlafen etc. Wir haben einfach die Ruhe genossen. Ich wollte den Krach und die grauen Wände nicht mehr.
FV: Mein Leipzig lob ich mir.
Ich wurde aus der Bio nicht schlau: „Im Clinch mit Bürokratie und gerichtlichen Instanzen, nicht nur Geld, sondern auch die Lust auf die Straße verloren.“ Was ist genau passiert?
Elen: Da ist passiert, dass ich Straßenmusik gemacht habe und ich habe lange, lange Straßenmusik gemacht. Und irgendwann sammelte das Ordnungsamt Straßenmusiker zusammen und verteilte Strafzettel. Sie wollte Geld von mir, was ich nicht einsah und so ging es vor Gericht. Vor Gericht wurde die Sache ausgefochten. Ich musste auch bezahlen, wurde wegen drei Punkten angeklagt. Angeklagt ist ein krasses Wort, aber im Prinzip ist es so. Wegen eines Punktes wurde ich zu einer Geldstrafe verurteilt und das war die „Sondernutzung des öffentlichen Straßenlandes“, weil ich meinen Verstärker und Gitarrenständer auf öffentlicher Straßenstelle stellte und dafür braucht man eine gesonderte Erlaubnis. Das Problem ist aber, dass man grundsätzlich die Erlaubnis von Berlin-Mitte nicht bekommt. Wir hatten es mündlich versucht zu regeln, sollten es aber schriftlich per Gericht einklagen, dass diese Nutzung nicht rausgegeben wird. Kein Straßenmusiker kann sich das leisten, die Erlaubnis per Anwalt durchzukriegen. Die Zeit danach war es immer ein Gefühl von, dass zu jeder Zeit jemand um die Ecke kommt und könnte mir eine 400€ bis 1000€ und noch mehr Strafe gibt von einmal Straßenmusik machen. Was tatsächlich auch schon passiert ist, ist, dass die Instrumente eingezogen werden. Sie mussten die Strafe bezahlen, damit sie ihre Instrumente wiederbekommen.
FV: Ich kann mir eine Stadt ohne Straßenmusiker gar nicht vorstellen.
Elen: Das macht auch eine Stadt aus. Nur mit Gitarre ist kein Problem, aber nicht mit Verstärker, Hut oder Becher. Da greift wieder die Sondernutzung. Es ist ziemlich kompliziert. Weshalb sich das Ordnungsamt aufgeregt hat, ist eben der Verstärker. Es ist nicht verboten damit zu spielen, man darf nur nicht zu laut sein. Und das Ordnungsamt läuft mit einem Pegelmesser herum und misst, ob du zu laut bist und ob du über den allgemeinen Pegel der Straße, der sowieso herrscht, drüber bist. Es ist völlig absurd! Das Ordnungsamt hat es bei mir nicht gemacht, sondern gleich behauptet, dass ich zu laut war. Ich spielte sehr oft an der Schönhauser Allee und an dieser Kreuzung, an der Hauptstraße, fuhr der Stadtverkehr, die oberirdische U-Bahn, die Straßenbahn und unterirdisch auch noch die S-Bahn. Es war schon sehr laut. Sich dann dort akustisch mit einer Gitarre hinzustellen, um Leute zu erreichen, was ich wirklich versuchte, war nicht möglich. Diese müssten direkt einen Meter vor dir stehen, um dich zu hören, damit sie etwas von dir hören. Es ist nicht möglich!
FV: Kate Bush hatte aufgrund des Buches sowie des Films „Sturmhöhe“ von Emily Brontë Inspiration für ihren Klassiker „Wuthering Heights“. Welches Buch würdest Du gerne vertonen wollen bzw. einen Song schreiben?
Elen: Das Lied kenn ich nicht, habe ich bestimmt einmal gehört. Das Buch kenne ich auch nicht. Ich habe früher viel mehr gelesen. Ich war als Jugendliche eher der Fantasy-Typ.
FV: Ich dachte gerade, du als Musikerin füllst deinen Kopf mit Wörtern.
Elen: Ich bin eigentlich eher der Serien-Junkie. Früher schaute ich ganz viele Filme. Für Bücher fehlte mir in letzter Zeit eher der Nerv, da ich diese gewisse Ruhe nicht finde. Ein Buch lesen, sollte man ein-zwei Stunden am Stück. Da setzt man sich hin, mit Tee, Kuscheldecke und einem Buch. Das ist meine Auffassung von Büchern lesen, denn so habe ich gelesen. Ich kann keine zehn Minuten lesen. Für Romane muss ich mir Zeit nehmen, sonst kommt es nicht bei mir an und hat nicht den gewünschten Effekt.
FV: Dann ist ja meine Frage hinfällig, ob Du ein Buch vertonen würdest?!
Elen: Ein Buch vertonen… Ich habe mehrmals darüber nachgedacht Gedichte zu vertonen. Ich bin auch was Literatur betrifft nicht bewandert. Ich habe einmal eine Gedichtvertonung gehört, die ich wunderschön fand. Es war in der Schule und unserer Musiklehrer spielte es uns vor. Die letzte Zeile ging so:
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
[Mondnacht von Joseph von Eichendorff]
Es war wunderschön vertont. Ich finde es auch spannend, wenn jemand ein Textbeitrag liefert und ein anderer macht die Musik dazu, weil derjenige aus diesen Zeilen emotional und musikalisch anders darstellen kann, als jemand der voll und ganz im Text und Thema steckt.
FV: Oh ja! Das stimmt! Gibt es für dich eine Künstlerin zu der du aufschaust?
Elen: Bishop Briggs. Sie ist sehr spannend. Es fühlt sich bei ihr so an, als hätte sie viel mitmachen müssen und findet aber die Stärke sich herauszuboxen.
FV: Mit welcher Künstlerin würdest du gerne zusammen schreiben?
Antje Schomaker. Ja, darauf hätte ich Lust.
FV: Was ist weiterhin geplant?
Elen: Es kommt noch die nächste Single zu „Fünf Meter Mauern“. Dann erscheint mein Album Mitte Juni. Dann kommt noch die Single „Blind über Rot“. Eine konkrete Tour ist noch nicht geplant, einzelne Auftritte schon. Und vielleicht sind wir im Sommer noch bei einigen Festivals. Es ist alles noch am „sich finden“. Konkrete Termine gibt es noch nicht.
Danke für das Interview! Hab mich riesig gefreut. Nun freue ich mich auf das deutschsprachige Debüt!