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FLØRE – Scarytale
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FLØRE – Scarytale

Auf ihrer Weise liegen FLØRE die Freaks und Außenseiter am Herzen. Ihnen gilt „Scarytale“, einem Album, das eine besondere Widmung trägt. Denn über „Fairytale“ Figuren wie Märchenprinzen, Ritter und Prinzessinnen wurde schon so oft geschrieben, sodass die Alt-Pop Sängerin aus Nordrhein-Westfalen den Figuren der verfemten Art ein Album widmete.

Um ihre auserwählten Geschöpfe legte sie jeweils eine Geschichte drumherum. Darüber erzählt sie: „Ich wollte die Schurken und Ausgestoßenen der Märchen zu den Hauptfiguren machen. Ihre Lebensgeschichten und persönlichen Erfahrungen, die mit diesen Figuren verbunden sind, zu schreiben, war ein so inspirierender und lustiger Prozess. Es hat mich dazu gebracht, in verschiedene Welten und Szenarien einzutauchen.“

Mit „Scarytale“ zieht FLØRE alle strangen Register, um eine turbulente Pop Party zu zelebrieren, wo Liebhaber der Dark-Pop-Kultur eine Einladung erhalten haben. Denn wenn die Turmuhr zwölf Mal schlägt und der Wärter auf dem Friedhof seine Runden geht, ja, dann feiern Werwölfe, Vampire, Monster und Artverwandte ausgiebig ihr Dasein, während FLØRE als Gastgeberin viel Wert auf die musikalischen Unterhaltung legt.

Zwischen düsteren Strukturen und greller Exzentrik besticht FLØRE mit ihren individuellen Geschichten, die dem Album das Charisma geben. Die darin enthaltenen Botschaften ziehen je nach Thematik ihre Kreise, die der Musikerin das flatternde Kitzeln in der Magengegend schenken. Ihr größter Wunsch gilt einem Gefühl, welches das Album den Hörenden vermitteln soll: „Du bist genau richtig, so wie Du bist.“

Auf „Scarytale“ erhalten zwischenmenschliche Beziehungen figurative Namen. Dabei umarmt sie jede verirrte Seele, streichelt ihr verwundetes Ich und küsst das Leben auf die schmutzige Wange. Während sie Unsicherheiten zu Selbstvertrauen verwandelt, ermutigt FLØRE den Selbstwert die schlummernden Gefühle wach zu kitzeln und sich daran zu erinnern, dass sie aufgearbeitet werden dürfen.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Im Opener „Happy Never After“, der die knarzende Tür zu ihrem „Scarytale“ Saal eröffnet, begrüßt sie ihre Hörenden, indem sie ihnen mitteilt, wie das Album zu verstehen ist. Gleichzeitig gewinnt sie an Rhythmus, der sich im kontinuierlichen Pop einfindet. Für FLØRE hat diese Eröffnung eine besondere Bedeutung: Zum einen erklärt sie darin ihre expressiven Geschichten. Und zum anderen konfrontiert sie die Kleinredner, die weder an einen glauben noch den Rücken stärken. Hierbei bestärkt FLØRE mit der Botschaft, dass es durchzuhalten gilt, auch wenn die Schwäche bereits behaglich zerrt.

In „Zombie“ besingt FLØRE über die selbstverständliche Art aufzutauchen und wieder zu verschwinden, wie es einem gefällt. Das selbstgefällige „Ghosting“ mutiert zum „Zombieing“, dem ein Ende gemacht werden sollte. Doch bleibt die vermeintliche Höflichkeit zu höflich, anstatt die Tür vor dem unerwünschten Verhalten zuzuknallen.

Die Stimmung in der Pop Ballade „Ghost“ wirkt gedrückt. Hierbei wird ein größerer Verlust in den Zeilen verdeutlicht. Inhaltlich ist es dem Hörenden überlassen, welche Art von Verlust gefühlt werden darf. Denn in „Ghost“ spukt die Erinnerung weiterhin im Kopf herum. Nicht selten ist der Geist des anderen spürbar, ob im Tag-, Nacht- oder im Fiebertraum.

Das Ohrwürmchen „Monster“ verirrt sich im Britney Spears Vibe zu Handlungen, die ihr selbst nicht gefallen: „In MONSTER geht es darum, andere wegzustoßen und ihre Gefühle zu verletzen, während man eigentlich Angst vor seinen eigenen Handlungen hat. Er handelt von extremen Emotionen und manchmal kann die Isolation ein sicherer Raum für dich sein, auch wenn die Einsamkeit das ist, was du meisten fürchtest.  Ich weiß, wie schwierig es sein kann, mich kennen zu lernen. Und ich schütze meinen engen Kreis und die Menschen, mit denen ich meine Zeit verbringe, sehr. Aber manchmal kann die kleinste Enttäuschung dazu führen, dass ich mich von den Menschen abkapsle, obwohl das eigentlich der schlimmste Fall ist, den ich unbedingt vermeiden will. Es macht keinen Sinn, aber mich selbst emotional zu verletzen ist eine schlechte Angewohnheit, die ich mir wirklich abgewöhnen möchte.“

„Witch“ symbolisiert eine Frau, die aus einen Kochtopf als „Bitch“ herausklettert, wie eine Stripperin aus einer Torte. Genauer betrachtet, geht es in dem Stück um ein selbstbewusstes, starkes Frauenbild, welches sich zu präsentieren weiß. – Girls Just To Want Have Fun – FLØRE zelebriert die Selbstentfaltung. Gerade weil Missgunst und gehässige Kommentare alltäglich sind.

Wenn die Welt, in der man besteht, auf einmal stehen bleibt, weil das Herz in Stücke gerissen worden ist. Der enthaltene Kummer überrollt den Gedanken, der als „Frankenstein“ zum Leben erwacht. Das von Verletzungen erschaffene Monster erwägt fortan andere zu verletzen, anstatt sich selbst zu heilen und die Kreatur in einem zu besänftigen.

Den Abschluss bildet eine emotionale „Mermaid“, der in der lyrischen Beschaffenheit einem Heilungsprozess gleichkommt. Diesen sehr privaten Song schrieb FLØRE unter Tränen. Immer wieder brach sie ab, während sie die Verse schrieb. In dem Stück geht es um ihr tatsächliches Ich, um sie selbst. Darin wünschte sich so lange eine Zeitmaschine, bis sie keine mehr braucht und ihr Wesen vervollständigt hat. Von „If I had a time machine / I would be a friend to me“ bewegt sie sich zuI don’t need a time machine / Cause everything was meant to be!

„Scarytale“ ist ein Musterbeispiel wie eine Pop Platte sein soll. Denn derzeit befindet sich in der zunehmend einfallslosen Musikindustrie ein Pop-lastiges Sortiment, welches sich anschwellend wie eine Eiterbeule in einer lyrischen Quälerei befindet. Nicht so bei dieser hübschen Platte. Dieses Album misst sich an der Vielfalt der gemarterten Wesen, denen FLØRE auf ihrer Weise ein fetziges Leben schenkte. Wer „Wednesday“ mag und gleichzeitig Lady Gaga hört, wird zu „Scarytale“ abfeiern. – I love it!


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