Grundeis – Every Second an Ocean - ❖ Female Voices ❖ the alternatives ❖

Es war im Jahre 2021 als Grundeis in der fucking Silent Days Zeit mit „Amygdala“ ein Debüt veröffentlichten, welches einen enormen Anklang in der düsteren Underground Szene errang und sich in kürzester Zeit ausverkaufte. Die Klänge wirkten vertraut, sodass sich Grundeis recht schnell herumgesprochen hat. Im Zuge dessen haben sie ihr zeitloses „Amygdala“ nach der ausverkauften Vinyl-Auflage als CD veröffentlicht, die sie um vier Songs erweiterten.

Nachdem sie ihre traumatisierten Ereignisse mit „Amygdala“ sowohl verarbeitet als auch überwunden haben, gingen Grundeis gestärkt an „Every Second An Ocean“ heran. Mit ihrem zweitem Werk durchtrennten sie die Stricke einer forcierten Korsage und brillieren autark zwischen verträumten Shoegaze Balladen, wuchtig-hartem Noiserock und rotzigem Post-Punk.

Als Grundeis begannen an „Every Second An Ocean“ zu schreiben, haben sie zunächst im Proberaum improvisiert, ohne einen bestimmten zeitlichen Rahmen oder eine Richtung anzugeben. Dort sammelten sie eine Reihe von Aufnahmen von oft 10 oder mehr Minuten langen Jams, die ein gewisses organisches Gefühl für Grundeis aufwies, welches sie unbedingt beibehalten wollten. „Wir haben unser Debüt „Amygdala“ hinter uns gelassen und waren offen dafür, jede Richtung zu erforschen, die sich beim Jammen im Proberaum ergab.“

Sie sprachen kaum über Strukturen und Noten, denn sie wollten das Gefühl „im Moment zu sein“ auch während der Studioaufnahmen beibehalten. Daraufhin dämpften sie im Schalltona-Studio das Licht, schlossen die Augen und schrieben einen Song, während sie die Monitormischungen einstellten. Innerhalb von 10 Tagen nahmen sie 14 Songs auf, die wie auf ihrem Debüt emotional, tiefgründig und aufrichtig sind.

„Wir haben nie versucht, eine Veränderung in unserer Musik zu erzwingen, sondern sie hat sich ganz natürlich entwickelt, so wie sich unsere Bedingungen geändert haben, da wir uns selbst nach etwas Warmem, Verträumtem und Schönem gesehnt haben.“

Der Opener „Distanced Far Gone“ ist eine psychedelische Reise und einer der letzten Songs, den sie für das Album geschrieben haben und erst im Studio fertigstellten. „Es war einer dieser Songs, mit denen man ins Studio geht und vorher noch nicht genau weiß, ob sie fertig werden oder ob man sich im Studio verrennt und am Ende alles über den Haufen wirft. Irgendwann kamen wir zufällig zu dem Break nach dem Chorus und auf einmal bekam der Song ein neues Alternative Rock Feeling, das uns allen gefiel. Kein ganz fremder Planet für uns aber noch nie bewegten wir uns so nah an diesem Orbit.“

Auf „Another Life“ trifft markanter Grundeis Gitarrensound auf düsteren Niedergang. Zudem beschert der eingängige Song trübe Augen. Tatsache ist, dass ein Geheimnis den Abgrund offenbaren kann, wo folglich verzweifelnd nach einen Weg gesucht wird, der vorerst unauffindbar ist.

„Strange“ ist ein kraftvoller, verträumter Shoegaze-Song, in dem es darum geht, alles Bekannte hinter sich zu lassen und ganz von vorne anzufangen. Der Song spiegelt in gewisser Weise die Art und Weise wider, wie Grundeis an das neue Album herangegangen sind. In etwa, dass auf ein abgeschlossenes Kapitel ein Neues folgt.

Der titelgebende „Every Second An Ocean“ taucht die liebeshungrigen Gefühle in ein tiefes Meer, um sich von Störbildnissen, wenngleich vom Schmutz zu befreien. Die Dynamik schlägt von Shoegaze in impulsiven Noiserock um, der für eine Überraschung sorgt und erst recht damit ins kühle Nass schupst, um den Kopf abzuflauen.

Mit „Bizarre“ fühlten sie das Vertonen der eigenen Ängste: „Die Gitarren wie Stimmen im Kopf, nicht ganz greifbar im Nebel aus Hall. Der Bass rotiert in einer Abwärtsspirale aus Halbtonschritten zum deutlich erhöhten Herzschlag der körperlichen Rhythmusfraktion, die unermüdlich Blut durch unsere Venen pumpt. In den meisten Fällen kann man sich nur ergeben und kraftlos warten, bis es vorüberzieht. Oder man baut sich auf und schreit seine Ängste hinaus und befreit sich vielleicht ein Stück. Wir wählten zweiteres. Und es fühlt sich gut an sich gegen die eigenen Schatten aufzulehnen.“

Mit „Ignoring People“ rufen Grundeis dazu auf, sich den Außenseitern anzuschließen. Eine sehr tanzbare Liebeserklärung an alle Verstoßenen, die ihr Selbstwertgefühl nicht an gesellschaftliche Anerkennung knüpfen wollen. Über den Song erzählen sie: „Begib dich zu den Außenseitern und fick die ganzen zugeknöpften Zombies, die dir erzählen wollen, was du zu tun und zu lassen hast. Der ganze Selbstverrat und die Zweifel und wenn man sich nicht zugehörig fühlt, wird man schnell einsam. Aber hier bei uns bist du sicher. Komm gerne dazu. Vor allem live macht es großen Spaß, ihn zu spielen und im Refrain noch die verrückten Noise-Gitarren in die Echokammer zu schicken.“

Den Ausklang krönt ein gitarrendurchtränktes „Slide Open“. In diesem Stück wird es Zeit sich den Konsequenzen zu stellen und dazu zu stehen, das kein Leben auf Falschheit bestehen kann.

„Every Second An Ocean“ ist ein wilder Strom aus Gedanken, der mit einem Vorschlaghammer in der Gegend spaziert, um den gesellschaftlich-engstirnigen ausgespuckten Müll zu zerschlagen, während ein Wettlächeln realisiert, nicht dazugehören zu wollen. Das Album umgibt ein befreiendes Gefühl, wodurch Grundeis ein neues musikalisches Selbstbewusstsein erlangt haben. Dies beweist ihr offensichtlicher Tonartwechsel, die dazugehörige emotionale Wirkung und ihre Verbundenheit zur Musik. Was den Gedanken vorantreibt, dass Grundeis nichts wichtiger ist als Musik zu spielen.

Mit den letzten vier neuen bzw. erweiterten Songs auf der „Amygdala“ CD-Pressung, haben Grundeis anklingen lassen, dass sich ihre Stimmung in der Musik veränderte, die dramatischer, wütender, ja, auch rotziger wurde. Dennoch kann auch mit der neuen Vinyl „Every Second an Ocean“ wiederholt geschrieben werden, dass Grundeis, one of the most underrated bands of shoegaze and post-stuff sind.