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Half Waif – See You At The Maypole
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Half Waif – See You At The Maypole

Nandi Rose ist die sensitive Stimme zu Half Waif, die einiges durchstehen musste. Denn sie war in den Fängen tiefer Trauer und konnte sich nur mit einem enormen Kraftaufwand heraus befreien; indem sie ein Album mit 17 melancholischen Songs erschuf, welches ihre Demut gegenüber dem Kumme offenbart. Damit holte sie sich und ihre Farben zurück, genau dahin, wo sie hingehört: ins Leben! Zumal sie eins verloren hat: Ein kleines Leben, das in ihrem Leib heranwachsen sollte.

Da, wo Organe und Gliedmaßen gebaut werden, leuchtete eines Tages kein Lebenslicht mehr auf. Dieses war erlischt. Und Nandi Rose sprach zu der Fehlgeburt: See you at the maypole. Daraufhin begab sie sich vor Morgengrauen in eine ruhige Ecke des vermeintlichen Kinderzimmers, während ihr Mann auf der anderen Seite des Flurs schlief. Sie schrieb, um sich selbst zu retten. Es waren Wiegenlieder für niemanden, ein Flüstern, das sich im Nebel auflöste.

Zur gleichen Zeit wurde bei ihrer geliebten Schwiegermutter aggressiver Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert; es fühlte sich an, als würde das Universum einen endlosen, grausamen Scherz spielen. Somit wurde „See You At The Maypole“ zu einem Werk, das sich in Trauer verliert. Hierbei lässt sie ihren Unmut, ihren Verlust und den Kummer laufen, wie ein Wesen, das sich befreien muss.

“One must say Yes to life and embrace it wherever it is found – and it is found in terrible places; nevertheless, there it is.” – James Baldwin

Dieses Zitat ist die leitende Kraft von „See You At The Maypole“, dem sechsten Album in Half Waifs produktivem Katalog. In diesem Album ging sie auf eine Reise in Richtung Akzeptanz und Hingabe. Dabei musste sie herausfinden, wie sie ihr Leben lieben konnte, auch wenn es nicht so aussah, wie sie es sich wünschte.

Auf dem Album hält Nandi Rose Live-Aufnahmen, geflüsterten Gesang am frühen Morgen und verzerrte Telefonaufnahmen fest, welches zu einem Malbuch für Kinder, mit zerbrochenen Buntstiften, die über die Linien schmieren, geworden ist.

Das Album erklärt Nandi Rose wie folgt: „Das war nicht nur meine Geschichte, wollte ich sagen. Es war die Geschichte eines jeden Verlustes – der Verlust eines Lebens, der Verlust eines Traums, der Verlust von Vertrauen, Hoffnung und Glauben. Eine Geschichte, in der es darum geht, wieder einen Weg zurückzufinden. Mein eigener Weg zurück ins Land der Lebenden führte über meine Beziehungen zu Menschen und zur Natur. Es schien mir nur richtig, dass diese Lieder diese Menschen einladen würden, das Herzstück des Sounds zu bilden.“

Der in New York City ansässige Chor Khorikos ziert mehrere Songs, vor allem beim Opener „Fog Winter Balsam Jade“, der ein Mantra des kollektiven Heulens anstimmt. Ein in Metaphern sprechendes „Collect Color“ versucht all die Farben, die herumflirren einzufangen und zu sammeln, um sich selbst wieder zusammenzufügen. Denn wer inmitten eines persönlichen Winters nach Farbe sucht, wird die Helligkeit bald aufzeigen, die vom Schnee abprallt.

Dass Nandi Rose sich mit der Härte des Lebens auseinandersetzen musste, zeigt der Song „Heartwood“ auf: „Lasst mich Eiche sein. Ich umarme in alle Richtungen.“ Wo „Sunset Hunting“ Lärm im Ohr und Stille auf der Zunge zugleich ist, ist der Song trotz der Traurigkeit ein empowerndes Lied. Doch selbst wenn „Dust“ ein vor Kraft strotzendes Stück ist, lässt Staub die Melancholie vergilben. Bei all ihrer errichteten Kraft hämmert es ihr noch immer im Hinterkopf eines intensiven „Ephemeral Being“, wie es sich anfühlt eine Versagerin zu sein. Mit „March Grass“ ist ein wahrer Kraftakt vollbracht worden, denn in diesem herzzerreißenden Song reflektiert der Titel des Albums all ihre Hingabe zur Sehnsucht.

Die aufgebrachte Anstrengung, um wieder ein halbwegs normales Leben zu führen, wird mit diesem Werk verdeutlicht. Zumal die Doppel-Vinyl auch sehr liebevoll gestaltet worden ist. Die figurative Darstellung greift in ihre tiefliegende Seele zurück, die sie mit „See You At The Maypole“ einfühlsam preisgibt.

***Ich hoffe inständig, dass es ihr wieder gut geht.


Wissenswertes: 

Konzert: 10.02.25: Berlin – Privatclub

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