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Lola Kirke – Lady for Sale
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Nashville Sound Reviews

Lola Kirke – Lady for Sale

Ihr Konzept liegt eindeutig im Exzess der 80er Jahre, das den Stil des neuen Albums „Lady for Sale“ repräsentiert. Demnach sticht Lola Kirke in der Landschaft des Americana wie ein aufleuchtender Blitz hervor. Doch wer sie nur durch Auftritte auf der Leinwand kennt, wird vielleicht überrascht sein, wie umwerfend sie auch außerhalb davon sein kann. Denn musikalisch glänzt sie genauso wie in einer filmischen Verpflichtung.

Country-Music hat für Lola Kirke einen vertrauten Klang, den sie bereits als Teenager zu lieben begann. Angefangen mit Patsy Cline und Loretta Lynn erweiterte sie ihren Geschmack auf Künstlerinnen wie Martina McBride und Miranda Lambert etc. aus. Es ist die einzigartige Art und Weise, wie Country die komplexesten und schwierigsten Gefühle mit Witz und Schärfe ausdrücken kann, was Lola Kirke sehr beliebt und sie auch textlich umzusetzen weiß. Country-Music gehört zu ihr wie ihr schönstes Lächeln, welches auf dem pinken Album erstrahlt.

Auf dem im Juli veröffentlichten „Lady for Sale“ zeigt sie sich sehr freizügig, was nicht verwerflich ist, denn sie ist eine wunderschöne Gestalt. Doch um ihre Freizügigkeit zu erklären, sollte der titelgebenden Song „Lady for Sale“ gehört werden, denn darin wird ihre Aufmachung erörtert. Es ist nicht nur die optische Entblößung, die das Werk aufzeigt, auch in der textlichen Darbietung zeigt sie sich bloß.

Der Opener „Broken Families“ wurde zusammen mit Courtney Marie Andrews geschrieben. In dem Song geht es um toxische Beziehungen, die einander nicht guttun. Sie verletzen und entschuldigen einander, betteln darum dazubleiben. Sie klammern sich in endloswährenden Abbitten fest, dass sie aus zerrüttenden Familien kommen, ohne aus dem Kreislauf hinauszutreten.

Über den Song erzählt sie: „Als Courtney und ich uns zum Schreiben hinsetzten, haben wir uns vorgenommen, einen Song zu schreiben, den wir im Country-Radio hören könnten. Es ist ein ehrliches Liebeslied darüber, dass man die Zyklen nicht wiederholen will, die wahrscheinlich dazu geführt haben, dass man sich überhaupt erst ineinander verliebt hat. Es geht um den Wunsch, sich zu verändern und derselbe zu bleiben, um Hoffnung, wenn man sich hoffnungslos fühlt.“

Textlich lodert der Beatles Klassiker „Lucy’s In The Sky With Diamonds” auf und erzählt in „Better Than Any Drug“ von einer brandneuen Liebe. Wiederum geht der dazugehörige Sound in eine Madonna Adaption über. Dieser klingt sehr jung, frühreif und ungewöhnlich zuckersüß, wie es die „Like a Virgin“ Ära von sich gab. „Better Than Any Drug“ ist eine quietschige Pop-Nummer, die womöglich junge Menschen anziehen würde, und nicht so recht auf das Album passt. Doch dies gehört mit zum Konzept.

Der titelgebende Song „Lady for Sale“ ist eine Geschichte über eine Musikerin, die an dem „amerikanischen Traum“ festhält, der eigentlich ein Alptraum ist. Die Musikerin prostituiert sich, um zu überleben. In „Pink Sky“ werden rosa Wolken zu grauen. Und in „Stay Drunk“ wird lieber dem Alkohol gefrönt, anstatt sich zu kümmern. Der Abschluss wird mit einer schwebenden Einheit gekrönt, denn in „By Your Side“ kann man sich gerne zu ihr legen und in den Himmel schauen.

„Lady for Sale“ ist ein metaphernhaftes Album, hinter dem zugleich eine ernsthafte Konzeption steckt. Lola Kirke hatte es satt sich wie ein verkäufliches Produkt zu fühlen. Dieses Gefühl zeigt sie mit der Rückseite ihres nackten Körpers auf, wo an ihrem Hinterteil die Naht einer Gesäßtasche ziert. Genauso wenig mochte sie es, gesagt zu bekommen, sie müsse jung, dünn und exzessive TikTokerin sein. Ihren Unmut lässt sie somit auf zynischer, ironischer wie auch auf ehrlicher und charmanter Art freien Lauf. Ebenso präsentiert die Aktivistin für Frauenrechte ihre ausdrucksstarken sowie tiefgründigen Songs mit Hingabe und vollem Körpereinsatz, und tritt der Konformität des Wertesystems in den Arsch. – Bravo!