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Lucina Soteira – Tempel
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Lucina Soteira – Tempel

„Tempel“ oder auch: „Wir Fünf und ich und die Toten“

Zuerst möchte ich etwas erklären: Wenn das Album „Tempel“ in den Verstand und Herz gehen soll, somit auf eine Reise des Lucina Soteira Wesens, wäre es ratsam, das Buch „Wir Fünf und ich und die Toten“ von Luci van Org zu lesen. Gerade UM das Album zu verstehen. Beides ist bedeutsam, um sich darauf einzulassen, sonst gelingt es vielleicht nicht…

Lucina Soteira ist das Herzensprojekt von Luci van Org, einer vielseitigen Musikerin, fantastischen Autorin, Illustratorin sowie Komponistin aus Berlin. Mit ihrem psychedelischen Ritual erschuf sie „ein magisches Musikerlebnis für die Tiefgründigen und die Wagemutigen aus 100% Herz und Seele, das zugleich 100% handgemacht ist.“, was 100-prozentig zutrifft.

Soteira“ bedeutet in der gegenderten Übersetzung „eine Retterin oder Befreierin“. Diese Substantive treffen auf Luci van Org eindeutig zu. Denn die Musik war ihre Freude, um in dem Lebensdesaster etwas Schönes zu verspüren. Denn sie brauchte enorm viel Kraft, um sich von den stetigen Kämpfen zu erholen. Später wurde Musik zu ihrem tagtäglichen Leben. Sie schuf Songs, die bis heute noch in der Seele brennen, wenn man Eenas leuchtenden „Gates of Eden“ (Soundtrack: Go Trabi Go) oder Lucilectrics chartplatzierten „Mädchen“ gedenkt. Und wer seinen Narben einen Tempel bauen mag, wird sowohl mit dem Album „Tempel“ als auch mit dem gleichnamigen Song nicht nur unterstützt, sondern auch bestärkt und mit dem Buch „Wir Fünf und ich und die Toten“ belohnt.

Luci wurde oft zur Zielscheibe, wo bittere Pfeile sie durchlöcherten. Jedoch zerbrach sie nie daran und reparierte sich so gut es auch ging. Wo andere Seelen durch Feindseligkeiten des Lebens, durch Hohn und Spott, selbst hässlich werden, sowie an Kummer oder Verbitterung zerbersten, errichtete Luci ihren Narben einen „Tempel“.  Trotz, dass die Menschen aus Lucis nächster Nähe ihre Seele stetig mit Verletzungen pflegten, dabei weder Reue noch Mitleid empfanden, schaffte sie es dennoch den Kopf nach oben schauend zu halten. Selbst als sie für schuldig gesprochen wurde, geboren und am Unglück der „Familie“ verantwortlich zu sein, war Luci zwar tieftraurig, blieb aber dennoch standhaft und stark zugleich.

Dementsprechend ist das Buch „Wir Fünf und ich und die Toten“ sowie das Album „Tempel“ ihre bewegte Geschichte, die sie erst veröffentlichen konnte, als ihre Eltern sowie ihr Bruder verstorben sind. Dennoch sollte ihrem Buch eine „Triggerwarnung“ ausgesprochen werden, da es aufwühlt. Wer immer weiterliest, erfährt Verstand und Linderung des Seelenbruchs.

Protagonistin Vera schlägt mit dem Kopf auf und löst einen Albtraum in den Gängen der Tiefe aus, den (bestimmt) viele ebenfalls gegangen sind. Genauer ist es „eine Novelle für alle von schlechten Eltern – und für alle, die sie überlebt haben.“ „Wir Fünf und ich und die Toten“ IST eine unverschonte, unverblümte „Wow! und Aha! – effektuierte Novelle, die womöglich nur von denen verstanden werden kann, die nicht in einer heilen Welt aufgewachsen sind. Vermutlich würden sie eh nur ungläubig mit dem Kopf schütteln. Umso mehr liegt die Strategie in Luci van Orgs künstlerischem Lebens, ihr Innerstes auszustreuen, und sich zu dem zu begeben, was sich richtig und gut anfühlt, um aufzuatmen und loszulassen. Ferner auch anderen zu helfen, die ähnliches durchmachen mussten.

Als Lucina Soteira ziert ihre stimmliche sowie musikalische Linie im „Tempel“ Album mit arabischen Strukturen, die nicht nur in erschütternden familiären als auch religiösen Themen aufwarten, sondern auch dahin streben, wo wahre Liebe beheimatet ist. Desgleichen berührt das biografisch eingefärbte Album in rockender und in klagender Melodik mit Offenherzigkeit und Tiefgang, welche in deutschen, englischen und lateinischen Zeilen besungen werden, die prägnant sind.

Umso deutlicher zeigt das Video zu dem albumtitelgebenden Stück „Tempel“, wie Luci in einem Käfig steckt und als hilfloser Teenager mit Narben besudelt wird, die sie nicht nur stärker, sondern auch schöner machen.

„Mein Wille“ erzählt über die Lügen einer vermeintlich christlichen Glaubensgemeinschaft, die einer Sekte gleichkommt, in der sie gewesen war, bis sie es eigenmächtig schaffte „die Knechtschaft zu beenden“. „Safe“ ist ein Lied über ihre Rettung, selbst auch wie eine Umarmung einen in Sicherheit wiegen kann. Und „Die with my Head Held High“ verdeutlicht, dass es sich leichter sterben lässt, wenn das Leben gelebt worden ist. Das dazugehörige Video durfte in Boleskine House, dem legendenumwobenen Anwesen des Okkultisten Aleister Crowley am schottischen Loch Ness gedreht werden.

„Reißt die Herzen auf und tanzt – denn am Ende siegt immer die Liebe!“

Trotz, dass sie ihres jungen Lebens beraubt worden ist und sich 30 Jahre vor ihrem Bruder verstecken musste, fand sie stets den Spirit aufzustehen und zur Musik zu finden, die ebenfalls zu ihr wollte. – Dazu noch sehr erfolgreich, wenn man ihren Werdegang bedenkt. Dabei sind weder „Tempel“ noch „Wir Fünf und ich und die Toten“ für den Geist eine leichte Kost, dennoch Kostbarkeiten für die verwundete Seele. Und ein Glück für diejenigen, die es im Leben nicht leicht hatten. – Danke!

***Ihr Buch zu lesen war für mich, als würde sich ein Knoten lösen. Ich konnte wieder atmen, ohne mich meiner Gedanken zu schämen, die ich hatte. Diese wurden niedergeschrieben und ich darf sie behalten. Jeder darf sie behalten. Im Regal. Bei sich. Überall. Ob lesend oder hörend. Ich hatte Glück. Glück, sie zu treffen, um ihre Musik zu verstehen, obwohl ich das Konzert auf den Erbenfestspielen abgebrochen habe. Sie war mir nicht böse. Doch wollte ich es wissen, ihre Musik verstehen und kennenlernen. Dies tat ich mit dem Kauf ihres Lucina Soteira Debütalbum sowie mit dem Buch und wurde reich belohnt. Luci van Org ist hübsch. Ihr Gesicht ist hübsch. Und offen, gleichwohl ihre Miene, die Herzlichkeit und Frieden ausstrahlt.


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