Auf dem Cover liegt Frontfrau Tamara Lindeman in den Wäldern auf einer satten Wiese und trägt einen handgefertigten Anzug, der mit Spiegeln bedeckt ist. Es beinhaltet, der Gegenstand von Projektionen zu sein und spiegelt die Ideen und Emotionen anderer zurück. Das Cover deutet darauf hin, dass dies ein sehr emotionales Album wird.
„Ignorance“ heißt das neue Werk und markiert einen Wandel im Schaffensprozess der kanadischen Musikerin. Sie gestaltete den Sound von The Weather Station neu und schuf damit eine neue Klanglandschaft, um all ihren Emotionen Ausdruck zu verleihen. Auf dem Album lässt sie der Band eine freie Spielwiese in der strukturellen Spielweise gedeihen.
Dieses Album ist Tamara Lindemans erste Erfahrung mit dem Schreiben am Keyboard und nicht an der Gitarre. Es ist auch ihr erstes Mal, dass sie Arrangements ausarbeitet, bevor sie sie in eine Band bringt. The Weather Station verfügt über eine beeindruckende Crew von Musikern, darunter Kieran Adams (Schlagzeug, Percussion), Ben Whiteley (Bass), Philippe Melanson (Percussion), Brodie West (Saxophon) und Ryan Driver (Flöte). Die Band wurde durch Johnny Spence (Tasten) und Christine Bougie (Gitarre) vervollständigt. Tamara Lindeman spielte Klavier, sang und steuerte verzerrte Gitarrensoli bei. Der Produzent Marcus Paquin (Arcade Fire) aus Montreal co-produzierte zusammen mit Tamara Lindeman und mischte es auch. Somit entstand ein wunderbares Album voller Herzblut und mit einer Art Seelenstriptease.
Als sie vom Rhythmus besessen wurde; speziell vom geraden, dem Tanzrhythmus mit den schmerzhaft einfachen Beats, sah sie, dass je weniger Emotion in diesem, desto mehr Raum für Emotion im Rest der Musik war, und sie dadurch mehr stimmliche Freiheit hatte. Sie begann sich ihr Grundgerüst vorzustellen, eine Struktur, die fest genug war, um die Verletzlichkeit der Songs zu halten.
Hierbei singt sie von dem Versuch, die Welt als eine Art schlechtsitzendes, zerrissenes Kleidungsstück zu tragen, das gefährlich kalt ist, und nicht warmhält. Es ist ein Kleidungsstück, was scheinbar nie angezogen werden kann, um darin durch die Straßen zu gehen, so verkleidet, so Seelen entblößend.
Kennt ihr auch die diffusen, konfusen Träume, nicht anzukommen? Irgendwo zu sein und es fehlt ständig irgendetwas in der Verwirrung. Selbst das Rennen, nicht ans Ziel zu kommen. Oder, dass es sich nicht richtig anfühlt, und auch, dass man sich selbst beraubt. So in etwa kann die Leadsingle und Opener „Robber“ verstanden werden.
In „Atlantic“ versuchte sie etwas von dem Gefühl des Abgleitens einzufangen, das wir wohl alle empfinden, wenn das Gefühl des Schreckens aufkommt. Selbst in schönen Momenten, wenn man ein wenig betrunken auf einer Meeresklippe steht und den Sonnenuntergang beobachtet, während Seevögel um einen herumfliegen; dieses Gefühl des Abgleitens ist immer noch da, dieses Gefühl des Schreckens, zu wissen, dass alles, was man sieht, in Gefahr ist. Und immer wieder kreisen die Vögel um einen. In mir steigt das Bild auf, wie Geier um das Dahinvegetierende kreisen.
„Ich habe das Gefühl, dass ich mein halbes Leben damit verbringe, zu versuchen, positiv zu bleiben. Meine ganze Generation tut das. Aber wenn man auch nur ein bisschen Zeit damit verbringt, über die aktuelle Klimasituation zu lesen, stehen einem die Positivität und Leichtigkeit nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung; man muss neue Wege finden, um zu existieren und zu sehen, und sei es nur, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Ich habe versucht, die Band dazu zu bringen, bei diesem Stück einfach durchzudrehen, und das haben sie getan. Das ist eines, bei dem die Musik mich wirklich dazu bringt, den Ort in meinem Kopf zu sehen; die Flöte und die Gitarre jagen sich gegenseitig, drehen sich wie Vögel, das Schlagzeug klipp und klar in seiner Geradlinigkeit; ich liebe die Band bei diesem Stück.“ , so Tamara Lindeman
(Und Ich liebe es, wenn Musik in mir Bilder aufflammen lässt – genau das schafft „Ignorance“.)
Der Song „Tried To Tell You” sagt sie der anderen Person, was wir auch schon oft gesagt oder selbst gehört haben: Ich habe doch versucht, es Dir zu erklären!
Im sehr verletzlichen „Trust“ stellt sie sich die Frage, wie ein Verrat zustande kommt. Owen Pallett war so lieb und arrangierte die Streicher, da Tamara Lindemann es seelisch nicht schaffte, da sich in dem Lied eine innere Unruhe aufbaute, vor der sie sich fürchtete. Aber der Song wollte zu ihr, somit befindet sich auch diese kleine Kluft auf dem Album. Der Song wirkt im melancholischen Klavierspiel, welches von der düsteren Umarmung aus Streichern festgehalten wird. Es ist eines meiner liebsten Lieder, obwohl Tamara Lindeman selbst für dieses Stück keine Sympathie hegt. Es ist dennoch wunderschön umgesetzt und in die Wolken freigelassen worden. Wie, wenn man ein Täubchen in den Händen hält, ihm ein Küsschen gibt und es fliegen lässt. So fühlt es sich an. Ein wunderbares Stück, das kann ich nicht oft genug schreiben!
Was das Album für mich so beeindruckend macht, ist, dass in mir ein kleines „Blackstar☆“ Gefühl aufleuchtet. Für Kenner: „Blackstar☆“ ist das letzte Vermächtnis Bowies. Aufgrund des Ensembles und der Klanglandschaften, die von The Weather Station eingefangen und auf „Ignorance“ gebannt worden sind, wird es zum kleinen Erlebnis von einem Tanz an einem Ufer, oder im Schnee, aber auch zum Genuss im eigenen Zuhause. Und „Ignorance“ ist ebenso ein tiefgründiges und höchst emotionales Werk wie das Album des bunten Sternes☆.
Artist Page: http://www.theweatherstation.net/