Im Jahre 2020 wurde Waldskin von Aurèle Louis, Maryam Hammad und Nathan Gros gegründet. Durch ihren Multiinstrumentalismus haben sich die drei gesucht und zusammengefunden, um ferner ihrer Berufung nachgehen und diese in gepresster oder digitaler Form präsentieren zu können. Obgleich einer eigenen musikalischen Linie, verleugnet die Band ihre zahlreichen Einflüsse nicht, die von Massive Attack, Portishead, Nine Inch Nails, bis hin zu Radiohead und darüber hinaus reichen. Dabei sind sie selbst eine Band mit vielfältigen Soundtüftler-Talenten, die mit lauterem Herzen einen durch nephele Wolken schreiten lassen.
Mit „Clarity Before The Crash” haben das Schweizer Trio ein wunderbares, kleines EP’isches Werk in die Welt surren lassen, welches im Pop Art – Electronica Gewand glänzt. Hierbei liegt dessen Wirkung im impulsiven Content aus charismatischer, instrumentaler Konstellation, die beachtlich und eindrucksvoll ist.
Anfang März 2021 erschien das Debütalbum, welches eine zeternde, tosende sowie derbe Ovation im synthetischen Sounddesign offenbart. Es ist vor allem eine musische Offenbarung für diejenigen, die den elektronischen, treibenden Sound begehren. So wird aus dumpfen Klaviertönen, gepaart mit Maryam Hammads sphärischen Vocals, sowie Schlagzeug, Synthesizer, Cello, und massiven Geräuschen eine Synästhesie erzeugt, die einen das gedankliche Abschweifen erlaubt.
Da die Musik, welche die Band persönlich mag, oft auch härter, kritischer und alternativer, so ist es auch kaum verwerflich, dass deren Musik ebenso entfaltet wurde. Mit ihrer Debütsingle „The Shore“ wurde dies bereits zum Besten gegeben. Diese erste Singleauskopplung befasst sich nicht nur mit möglichen klimatischen Tragödien, sondern berührt auch den Klassenkampf, die ständige Unterdrückung der Meinungsfreiheit und zeigt die Größen dieser Welt als zynische, gierige und selbstsüchtige Monster. Angesichts der jüngsten Ereignisse war diese erste Single aktueller denn je.
Waldskins zweite Single „Odonata“ klingt nach flirrender Hitze. Der treibende und kuriose Rhythmus ist inspiriert von balkanischen und arabischen Takten. Der Song spricht vom Größenwahn der berühmten Eroberer der Geschichte und ihren tyrannischen Impulsen. Ihr Bedürfnis nach Gewalt und Blut wird durch eine metaphorische Libelle „Odonata“ verkörpert, die unter die Haut kriecht und wächst. Das Thema lässt sich leicht auf die heutige Welt übertragen und verkörpert die kranke und chronische Gier krimineller Herrscher.
So sind die apokalyptischen Klänge beharrlich und eindringlich zugleich, wie es in „Umbra“ verdeutlicht wird; einem Song in seiner schönsten Dark-Pop Gestalt, so schön wie Lieder in ihrer synthetischen Gewandtheit nur erklingen können. „Umbra“ (Der Schatten) gibt als Opener die Richtung für die Songs von „Clarity Before The Crash“ vor. Dieser ist mit seinen flimmernden, fast zittrigen Vocals, verzerrten Synthies, den Drum-Machines und akustischen Elementen der düsterste Song des Albums geworden. Es geht um leere Versprechen und Ausbeutung, der Raub an Land und Gut, um das Gefangensein in der Welt größenwahnsinniger Herrscher. Der Fühlende wünscht sich, nicht mehr aufzuwachen und in luzide, somit bewusste, Träume zu fliehen.
Auch „Pitch Black“ und „Sharing Atoms“ sind süße Symbiosen mit ihrem zartbitteren Geschmack: In „Sharing Atoms“ werden Streicher und Blasinstrumente über Vintage-Keyboards gelegt und sorgen für ein weiches Klangbild, somit sind Musik und Lyrik ruhig und verträumt. Der Song behandelt das Gefühl, mit allem und allen verbunden zu sein, sich als Mensch immer wieder in anderen finden und sich von manchen nur schwer lösen können, wenn überhaupt.
Auch auf dem „Pitch-Black“ experimentieren sie mit Texturen und Klangfarben. Weiche Gitarrenklänge und ein orchestrales Arrangement erhellen den Song und geben ihm seine unverkennbare Stimmung. Im Kontrast dazu steht die Lyrik. Religionen mögen für manche Hoffnung bedeuten. Doch nur allzu oft werden in ihren Namen Menschen missbraucht, unterdrückt – vernichtet. Die Wahl einer Religion anzugehören oder nicht, ist ein Luxus, in welchen nicht viele Menschen hineingeboren werden. Und den „Evas“ dieser Welt wurde von Anfang an die Schuld an allem gegeben.
Wie in den kleinen Ausführungen unschwer zu erlesen ist, hinterfragt die Band soziale Normen und die destruktive Beziehung zwischen dem Menschen in seiner Umgebung. Der Sound dazu ist stets von satter und pulsierender Natur.
Ein musikalischer Ausflug mit Waldskin im Gehörgang, gleicht entweder einem Sandsturm am Horizont, einem roten Sonnenuntergang oder einem hastigen Rennen in einem düsteren Wald – sei es im hellwachen oder zugedröhnten Zustand. Dabeisein mit stark pochendem Herzen in der Brust, der entweder zur zeternden Angst oder zum Tanz am Ufer eines Sees unter Sternschnuppenreigen führt.
Keiner der acht Songs bleibt ungehört. Jeder dieser Songs ist perfekt arrangiert, stimmlich angepasst und hat seinen eigenen Charakter. Die Songs flattern demensprechend von einem Erlebnis zum nächsten, wie ein hübscher Nachtfalter von der Dunkelheit zum Licht.
Ein Jeder kann eine Vielzahl an ungeahnten musikalischen Schönheiten in Waldskins Debüt „Clarity Before The Crash” entdecken. In jedem Song steckt viel Liebe zum Detail, von schwebend samtigen Klangbildern, bis hin zu motorisierenden Geräusch-Momenten wie mit propeller- und kreissäge-, flexähnlichem Sound, welches frisches Blut vom Tropf durch die Adern pumpt oder schwer arbeitender Schweiß von der Stirn rinnt. – Ein wunderbares Werk!
*** Live könnte ich mir die Band in einem verruchten, verrauchten Club vorstellen oder sie spielen in einer Waldkulisse; natürlich passen sie auch perfekt eine große Bühne. Es wäre wünschenswert, wenn Waldskin mehr Aufmerksamkeit bekämen.
Ich habe mir das Album direkt über die Band vorbestellt und wollte über die EP schreiben, sobald ich es in den Händen halte. Da es aber Lieferschwierigkeiten gab, wurde der Download als Überbrückung an die Besteller:innen versendet. Von daher die sehr verspätete Review. Man möge es mir bitte verzeihen.
Wertvolle Links:
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